Was nun, Herr Becker? Sechs Fragen an den Fraktionsvorsitzenden der SPD zur Umsetzung der Klimaschutzziele in Hungen
Was nun? Ist nicht die Frage für mich, sie muss der CDU-FW Parlamentsmehrheit gestellt werden.
Was tun? DAS ist die Frage, und dazu hat die SPD Fraktion, die ich vertrete, Antworten.
HUNGEN AKTUELL: Der Atomausstieg ist beschlossen. Warum stehen Teile der Bevölkerung noch immer so skeptisch der Errichtung von Windenergieanlagen gegenüber?
Becker: Grundsätzlich sieht ein Großteil der Bevölkerung auch die Nutzung von Windenergie als Chance dem beschlossenen Atomausstieg Rechnung zu tragen. Natürlich ist die Errichtung von Windenergieanlagen in den Ortsrandlagen eine einschneidende Veränderung des bestehenden Landschaftsbildes.
HUNGEN AKTUELL: In dem im August 2012 von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossenen Klimaschutzkonzept wurde als Klimaschutzziel der Maßnahmenpfad 1 festgelegt. Dieser enthält auch die Realisierung von Windkraftanlagen in Hungen. Ist dieser Gedanke nun völlig ausgedacht?
Becker: Nein, die endgültige Entscheidung, ob wir Vorrangflächen für Windenergieanlagen in Hungen haben werden, trifft die Regionalversammlung Mittelhessen. In meiner Aussage zur Abstimmung im Parlament habe ich ja ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir nicht gegen Windkraft sind. Die genannten Orte sind aber mit vielen Fragezeichen zu sehen was ihre Eignung dort angeht. Und wenn die Regionalversammlung entschieden hat, wissen wir, ob wir in Hungen Anlagen haben können. Mit unserer ablehnenden Stellungnahme haben wir der Regionalversammlung deutlich gemacht, dass die ausgewählten Standorte aus unserer Sicht nicht geeignet sind.
HUNGEN AKTUELL: Wieso wurden dann erst Beschlüsse gefasst, dass es Anlagen in Hungen geben soll?
Becker: In 2012 hatten wir noch nicht den Informationsstand von heute. Damals hatten wir Hinweise, dass Anlagen in Hungen realisierbar sind. Im Juni 2014 haben sich dann Fraktion und Ortsverein vor einer Entscheidung über die Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergieanlagen auf dem Gebiet Hungens intensiv über Vor- und Nachteile von Windenergieanlagen informiert, um nicht diese Entscheidung aus dem Bauch heraus zu fällen. Wir haben dann verschiedene Informations- und Beratungsmöglichkeiten genutzt. Es wurde schnell deutlich, dass die einzige Möglichkeit für Kommunen hier zu steuern darin besteht, Vorrangflächen auszuweisen. Die Standorte sind jedoch extrem von der Wirtschaftlichkeit abhängig. Der Raum Hungen scheint für eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie denkbar ungünstig. Dies wurde bei einer Infoveranstaltung mit einem verantwortlichen Mitarbeiter der OVAG-Gruppe sehr deutlich. Der damals angestoßene Abwägungsprozess hat dann dazu geführt, dass die SPD-Fraktion für die ablehnende Stellungnahme gestimmt hat.
HUNGEN AKTUELL: Wie steht die SPD Hungen konkret der Umsetzung von Windkraftprojekten im Stadtgebiet gegenüber?
Becker: Mit den uns derzeit bekannten Informationen eher ablehnend.
HUNGEN AKTUELL: Wie kann Hungen nun in Zukunft auch ohne die Nutzung von Windenergie weiter daran arbeiten, die Ziele der Lokalen Agenda 21 oder des Klimaschutzkonzeptes zu erfüllen und somit einen wichtigen Teil zur Energiewende beitragen?
Becker: Jeder lange Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Die SPD Hungen hat mit der Umsetzung des Solarparks Trais-Horloff einen wichtigen Anfang gemacht. Damals haben wir gegen den Widerstand einiger Lokalpolitiker gehandelt, und den Solarpark in Trais-Horloff errichtet. Ein nicht nur finanzielles Erfolgsmodell, sondern auch ein Vorreiter-Modell für andere Kommunen. Nun sind vor allem die Bevölkerung und die Gebäudeeigentümer zum Thema Klimaschutz zu sensibilisieren. Bürgerinnen und Bürger müssen von Seiten der Stadt Hungen über die individuellen Energie-Einsparpotenziale informiert werden. Weiterhin ist es natürlich relevant, die energetische Gebäudesanierung und den Ausbau von Solaranlagen auch auf privaten Immobilien voran zu treiben. Dies ist nur mit intensiver Unterstützung durch die Verwaltung zu realisieren. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion am 7. Juni 2015 unter anderem einen Antrag gestellt, einen Klimaschutzmanager einzustellen, der über den Bund sehr hoch gefördert wird.
HUNGEN AKTUELL: Wann können wir dann mit ersten Aktivitäten des Klimaschutzmanagers rechnen?
Becker: Diese Frage kann ich nicht beantworten, da nach meinem Kenntnisstand der Magistrat bisher noch keinen Förderantrag gestellt hat. Wir warten darauf.
Chronologie der Entscheidungen
01.06.2010Die Stadtverordnetenversammlung beschließt die Aufstellung eines Klimaschutzkonzeptes mit dem Ziel, kurz- und mittelfristig den Energiebedarf vollständig durch erneuerbare Energien decken zu können.
21.06.2011Zusammenschluss der Kommunen Wölfersheim, Hungen und Schotten mit dem Ziel, ein gemeinsames Klimaschutzkonzept zu entwickeln.
30.08.2012Die Ergebnisse des Interkommunalen Klimaschutzkonzeptes „Hungen – Schotten Wölfersheim“ werden angenommen. Für Hungen wird als Klimaschutzziel der Maßnahmenpfad 1 festgelegt (inklusive der Errichtung von Windkraftanlagen). Der Magistrat wurde beauftragt, die Zusammenarbeit mit Schotten und Wölfersheim im Rahmen des Interkommunalen Klimaschutzprojektes fortzuführen und eine Agenda über den zeitlichen Rahmen und Prioritätenrahmen bis zum Ende der ersten Jahreshälfte 2013 vorzulegen.
11.10.2012Einstimmiger Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Aufnahme von Vorrangflächen in den Teilregionalplan Energie. Die ermittelten Eignungsflächen für Windenergienutzung sollen als Auswahl von Potenzialflächen als Vorranggebiete Windkraft dem Regierungspräsidium Gießen für die Aufnahme in den Teilregionalplan Energie Mittelhessen 2012 beantragt werden. Es handelt sich um eine Fläche in der Gemarkung Bellersheim Oberholz und in der Gemarkung Steinheim/Rodheim Heeggrund.
02.07.2015Mit einem einstimmigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung wurde der Magistrat aufgefordert, das Klimaschutzkonzept weiter umzusetzen. Dazu soll ein Klimaschutzmanager eingestellt und konkrete Umsetzungsprojekte ergriffen werden. Hierzu wurde der Magistrat aufgefordert, einen Förderantrag zur Schaffung einer Stelle für Klimamanagement für die Dauer des maximalen Förderzeitraums von 3 Jahren zu stellen und nach Förderzusage eine entsprechende Stelle im Fachbereich Technische Dienste zu schaffen. Ein Arbeitsschwerpunkt soll die Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen im Bereich von Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Industrie in Hungen zur Umsetzung des integrierten Klimaschutzkonzepts bilden, sowie die Umsetzung des Konzeptes koordiniert und fachliche-inhaltliche Unterstützung bei der Umsetzung leistet. Der Magistrat wurde weiter aufgefordert, den einzustellenden Klimaschutzmanager mit der Umsetzung geeigneter Klimaschutzmaßnahmen zu beauftragen. Diesbezüglich ist zu prüfen, ob es ein geeignetes Investitionsprojekt gibt, das zusätzlich aus der BMU-Klimaschutzinitiative gefördert werden kann. Auch ist die Schaffung eines Hungener Förderprogramms Klimaschutz zu prüfen, um eine regionale Wertschöpfung zu erreichen. Weiterhin wurde der Magistrat beauftragt, dem Klimaschutzbündnis „100 Kommunen für den Klimaschutz“ beizutreten und die Charta zu unterzeichnen.
17.09.2015Die Vorlage des Magistrats über die Stellungnahme der Stadt Hungen zur Offenlage des Entwurf des Sachlichen Teilregionalplans Energie Mittelhessen wird zurückgestellt, da zunächst eine Bürgerbefragung stattfinden soll. Der abschließenden Entscheidung soll dann auf dem Bau-, Planungs- und Umweltausschuss übertragen werden. Dem widerspricht die SPD, was dazu führt, dass die Entscheidung bei der Stadtverordnetenversammlung bleibt.
Oktober 2015Bürgerbefragung der Stadt Hungen mit der Erkenntnis, dass Hungener Bürgerinnen vorrangig in Bellersheim und Obbornhofen die Errichtung von Windkraftanlagen nicht befürworten.
09.11.2015Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Herausnahme des Vorranggebiets Bellersheim aus dem Teilregionalplan Energie Mittelhessen.