Es war ein Treffen neuer Art in Hungen: Der SPD- Ortsverein hatte kürzlich im Auftrag des Vereins „Kulturforum der Sozialdemokratie für den Landkreis Gießen“ Hungener Kulturakteure in das Kulturzentrum „Alte Grundschule“ zu einem Austausch über ihre Bedürfnisse und Wünsche eingeladen, für die sich das Kulturforum gerne künftig einsetzen möchte. Ein Glücksfall für die Runde war die Teilnahme der als Gast eingeladenen Landrätin des Landkreises Gießen, die der Kultur bekanntlich einen hohen Stellenwert ihrer Politik einräumt und der Runde mit ihrer Fachkompetenz wertvolle Informationen und Impulse geben konnte.
Im Anschluss an die Begrüßung durch die gastgebende SPD-Ortsvereinsvorsitzende Sabine Fellner von Feldegg, die mit ihrer Co-Vorsitzenden Anja Schwab die Teilnehmenden in der alten Hungener Schule willkommen hieß, eröffnete der stellvertretende Vereinsvorsitzende des Kulturforums, Alexander Schmidt-Ries, die Runde bestehend aus dem Freundeskreis Schloss Hungen e.V., dem Hinterhoftheater e.V., dem Stadtmarketing Hungen e.V., dem Verein Kulturzentrum e.V., dem Heimatmuseum Obbornhofen e. V., der Arbeitsgruppe Spurensuche und den Limesfreunden Hof Grass e. V. sowie der im städtischen Fachbereich „Kultur und Tourismus“ verantwortlichen Mitarbeiterin. Er stellte zunächst den in 2017 auf Initiative des ehemaligen SPD-Landesvorsitzenden Torsten Schäfer-Gümbel gegründeten Verein des überparteilichen Kulturforums vor, der sich besonders die Förderung von Kulturträgern im ländlichen Raum, angemessene soziale Bedingungen für Kulturschaffende im Landkreis Gießen sowie der gerechten Teilhabe an Kulturveranstaltungen für alle Menschen des Landkreises unabhängig von ihrem Geldbeutel zum Ziel gesetzt hat.
Landrätin und Kulturforumsmitglied Anita Schneider schilderte in ihrem Grußwort die Aktivitäten zur Förderung der Kultur durch den Landkreis:
Ziel aller Kulturförderung des Landkreises sei es die besondere Vielfalt der Kultur im Kreis Gießen zu erhalten. Dafür richtete sich während der Corona-Pandemie das Förderprogramm „Vorhang auf 2.0 “ an professionelle Kunstschaffende. Das Geld hatte die Wirtschaftsförderung des Landkreises bereitgestellt, was deutlich mache, dass die Kreativwirtschaft auch im Sinne der Wirtschaftsförderung ein wichtiger Standortfaktor ist. Diese Förderrichtlinie habe vor allem neue, pandemiebedingt meist digitale Veranstaltungsformate unterstützt.
Auch für Vereine habe es während Corona finanzielle Unterstützung gegeben. In einem unbürokratischen Antragsverfahren habe jeder Verein 300 € bekommen können, die aus Corona-Bußgeldern finanziert wurden.
Über eine Nachfolgeförderung zum Förderprogramm „Vorhang auf 2.0.“werde im Kreistag in Kürze abgestimmt.
Dort war kürzlich auch beschlossen worden, ein Kulturforum des Landkreises einzurichten. Die unterschiedlichen Voraussetzungen und Themen der Regionen sollen in ein Konzept einfließen, das gemeinsam mit den Fachleuten der Kreisvolkshochschule erstellt wird.
In Hungen gibt es, so zeigte die Vorstellungsrunde, ein großes bürgerschaftliches Engagement und ein vielfältiges und reges Kulturleben. Hungener sagten nach der übereinstimmenden Wahrnehmung der Teilnehmenden dennoch gerne, dass hier nichts passiere. Insbesondere die teilnehmenden Mitglieder des Kulturforums aus anderen Kommunen zeigten sich dagegen beeindruckt vom Hungener Kulturangebot. Mit Verweis auf die große Hilfsbereitschaft und schnelle Hilfe für Geflüchtete Menschen aus der Ukraine wurde daher die Frage diskutiert, wie man diese Tatkraft auch im kulturellen Bereich erzeugen könne. Man war sich einig, dass dies davon abhänge, dass die Kultur tragenden Vereine eine Zukunft haben. Viele Vereine haben teilweise existenzbedrohende Nachwuchsprobleme. Auch fehle es an Spielstätten und Kreativräumen, die nicht sofort nach Nutzung wieder für die nachfolgende Nutzung aufgeräumt werden müssen. Als Ideen zur Kulturförderung wurde eine Modernisierung der Vereine, z.B. mit mehr Kommunikation über social media, der Zusammenschluss von Vereinen zur Bündelung der Kräfte sowie Projekte oder Workshops genannt. Die in Hungen eigentlich hochgeschätzten Vereine seien bisher kaum ersetzbare Träger, um Veranstaltungen durchzuführen. Daher müsse es den Vereinen gelingen, zum Beispiel Neubürger*innen anzusprechen, auch die Einbindung von Schulen sei in vielen Fällen ein Erfolgsfaktor, wie das Beispiel der Arbeitsgruppe Spurensuche zeige.
Landrätin Schneider wies ergänzend darauf hin, dass es eine Aufgabe des Freiwilligenzentrums für Stadt und Landkreis Gießen sei, Vereine zukunftsfähig zu machen und sie durch Beratung zu unterstützen. Sie berichtete zusätzlich, dass es Fördermittel für kommunale Projekte vom Land Hessen gäbe, die häufig nicht abgerufen würden. Diese Informationen würden vom Landkreis zwar direkt an die Kommunen weitergeleitet. Offenbar hapere es aber dort an der weiteren Kommunikation mit den örtlichen Kulturträgern. Der Landkreis werde daher in Zusammenarbeit mit den Kommunen eine Stelle für sog. Förderlotsen etablieren. Die Anwesenden begrüßten einhellig eine Übersicht über die Förderlandschaft sowie Unterstützung bei der Beantragung.
Zur Optimierung der Öffentlichkeitsarbeit zu kulturellen Veranstaltungen wurde die Idee einer digitalen Plattform besprochen, auf der sich Vereine und kulturelle Initiativen präsentieren und ihre Veranstaltungen ankündigen können. Über ein Redaktionssystem mit Rollen- und Rechteverwaltung sollten die Vereine dabei selber Einträge vornehmen können. Landrätin Schneider wies in dem Zusammenhang auch auf die Aktivitäten des Kreises im Rahmen des smart city-Projekts hin, bei dem eine Bündelung von Daten aus allen Bereichen des Landkreises, auch der Kultur, geschaffen wird, genannt „Datahub“.
SPD-Ortsvereinsvorsitzende Fellner von Feldegg regte an, sich auf die Begeisterung zu fokussieren, die die Akteure seinerzeit zu ihrer Vereinsarbeit einmal angeregt habe und sich darüber gegenseitig zunächst einfach mal Geschichten aus den Vereinen zu erzählen. Die dadurch zu weckende Neugier auf das Tun der anderen könne vielleicht sogar zur Wiederbelebung eines früher existierenden Kulturkreises vor Ort in zeitgemäßer Form führen, aus dem sodann Ideen zur Weiterentwicklung von Veranstaltungsformaten sowie Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung entstehen könnten.